DIE RÄTSELHAFTE FRAU
Kriminalroman
Ab sofort auch als E‑Book erhältlich!
ISBN: 978383190739–7
Wer ist die Frau, die schwerverletzt am Hamburger Elbstrand aufgefunden wird? Das Wenige, woran sie sich erinnert, scheint direkt aus einem Thriller von der Bestsellerliste zu stammen. Mit Glück überlebt sie einen zweiten Mordversuch im Krankenhaus. Als Hauptkommissar Adam aus Hamburg-Altona zu ermitteln beginnt, wird im Schulterblatt die verstümmelte Leiche einer vermissten Frau aufgefunden. Zwei rätselhafte Fälle, bei denen nichts ist, wie es zu sein scheint. Als sich die Ermittler den Bruder der Vermissten und seine Villa auf Mallorca genauer ansehen, tauchen neue Ungereimtheiten auf. Überdies schaltet sich auch ein ungewöhnliches Detektivbüro in den Fall ein und ermittelt auf eigene Faust. Adam, der Einmischung hasst, muss sich anstrengen, alle Fäden in der Hand zu behalten. Carola Christiansen führt den Leser in eine abgründige Familiengeschichte. Spannung pur.
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Einige der Originalschauplätze
Mit schnellen Schritten war Leo im Park an der Max-Brauer-Allee. Sie setzte sich auf eine der Bänke vor dem Stuhlmannbrunnen. Im Sommer war das Prasseln des Wassers auf den Skulpturen weithin zu hören. Jetzt war alles kahl und kalt, und das Wasser war abgestellt. Nur die beiden gewaltigen Zentauren rangen weiter miteinander. Scheinbar während eines Wimperschlags erstarrt, waren sie gefangen im symbolischen Kampf um die Fischereirechte zwischen Hamburg und Altona und gezwungen, diesen Streit bis in alle Ewigkeit fortzuführen. Der Bereich um das Denkmal war von Hecken umgeben. eine kleine Oase inmitten des Parks. Ein wunderbarer Ort zum Nachdenken.
Für einen Moment ließ die Sonne sich blicken und warf wahllos einige winterkalte Strahlen auf frierende Menschen und Pferdemänner aus oxydiertem Metall.
Johanna Peters saß in ihrem Büro. Sie hatte den Kopf auf eine Hand gestützt und starrte aus dem Fenster. Von dem Treiben unten auf der Ehrenbergstraße bekam sie nichts mit. Ihr Leben hatte in den letzten Monaten seltsame Wendungen genommen. Mit jedem Schritt betrat sie neues Terrain.
Sie war froh, dass sie die Chemotherapie gut vertrug. Auch die Perücken störten sie kaum noch. Vielmehr als die falschen Frisuren irritierte sie ihr neuer Name. Sie hatte gründlich mit ihrer Vergangenheit gebrochen und sogar den Mädchennamen ihrer Mutter angenommen.
…und jetzt spannende Unterhaltung beim Lesen der ersten Seiten!
Der Weg durch den Park … schaukelte die Bergedort, sicher vertäut … goldenen Weichzeichner über das Gelände
Die Frau stapfte durch den verlassenen Park. Es war nicht besonders empfehlenswert, sich an diesem Ort alleine im Dunkeln aufzuhalten, aber wenn sie wütend war, blieb ihr Verstand manchmal auf der Strecke.
Was für ein verdammter Idiot! Ihre Wut war umso heftiger, weil sie selber schuld war. Sie holte tief Luft, allmählich beruhigte sie sich.
Ihre schnelle Gangart hatte sie trotz der Kälte zum Schwitzen gebracht. Ungeduldig zog sie am Reißverschluss ihrer Jacke. Sofort spürte sie die Kälte an ihrem Hals und schloss den Kragen wieder.
Ein schneidender Wind fegte um die Ecken und schien alle Hamburger in ihre warmen Stuben geweht zu haben. Nicht einmal Hundebesitzer ließen sich mit ihren Vierbeinern blicken. Ein einziger Unerschrockener versuchte einige Meter vor ihr, seine widerstrebende französische Bulldogge auf die Wiese zu zerren. Die großen Ohren des Tieres flatterten wie aufgeregte Schmetterlinge im Wind.
Der Sturm schob schwarze Wolken über den Himmel. Sie türmten sich bedrohlich über ihnen. Zu allem Überfluss setzte ein leichter aber eisiger Regen ein. Für einen Augenblick beobachtete sie abwesend den Tanz der Hundeohren. Ob jetzt doch der Zeitpunkt zum Umkehren wäre? Aber ihre Wut war noch nicht verraucht, sie brauchte noch etwas Bewegung.
Entschlossen ging sie weiter. Es zog sie hinunter an den Elbstrand. Ihre Gedanken eilten ihr voraus, und sie konnte es kaum erwarten, den nassen Sand unter ihren Stiefeln zu spüren.
Sie erreichte den kleinen Museumshafen in Övelgönne. Die Bergedorf schaukelte dort sicher vertäut und zog an ihren Leinen. Weiße Gischt tanzte auf den grauen Wellen. Ein einsamer alter Segler lag neben dem Restaurantschiff. Mit auf- und abschwellendem Kling-Klong schlugen die Metallseile der Takelage gegen den Mast.
Eine einsame Bushaltestelle vor dem Anleger. Regen prasselte gegen den Plexiglasverschlag, aber zumindest bot er einigermaßen Schutz vor den Elementen. Die Frau ging mit hochgezogenen Schultern vorbei. Später könnte sie dort auf den 112er zum Altonaer Bahnhof warten.
Der Weg zwischen Strandbars und Restaurants lag wie ausgestorben vor ihr. Dahinter endlich offenes Gelände, links die stürmische Elbe, rechts eine verwitterte Steinmauer. Darüber thronten die Häuser mit Elbblick.
Sie wandte sich dem Wasser zu. Bei jedem Schritt versanken ihre Stiefel in dem nassen Sand. Der Wind tobte um sie herum, er zerrte an ihrer Kleidung und klebte ihr salzige Locken ins Gesicht. Sie blieb stehen, die Haare wirbelten wie ein Vorhang vor ihren Augen. Mit beiden Händen versuchte die die Mähne zu bändigen und hinter die Ohren zu streichen. Sinnlos.
Vom gegenüberliegenden Ufer schimmerte gelber Lichtschein durch den Regenvorhang. Die Natriumdampflampen der Werft warfen dort einen goldenen Weichzeichner über das Gelände.
Unvermittelt begann sie zu frieren. Sie hatte zu lange die Kälte ignoriert, die langsam in ihr hochgekrochen war. Gerade wollte sie sich umdrehen und den Rückweg antreten, als ihr Blick an etwas hängen blieb. Vor ihr am Ufer verdichtete sich die Dunkelheit zu einer formlosen undeutlichen Masse, die halb von Wellen überspült wurde. Mit einem Schlag war der warme Bus vergessen.
Der Elbstrand
Sie wurde schneller, und je näher sie kam, umso mehr bestätigte sich ihre Befürchtung. Das Strandgut hatte menschliche Umrisse. Atemlos kniete sie sich in den nassen Sand. Der Körper wurde vom Wasser hin und her bewegt. Mal ein Stück höher an den Strand, mal ein Stück zurück in die Elbe. Sie sprang wieder auf und packte ihn unter den Armen. Es war harte Arbeit. Die Strömung zog an der schweren Kleidung und der nasse Sand schob sich unter dem Körper zusammen.
Endlich hatte sie es geschafft, die Person lag am Strand. Keuchend ließ sie sich daneben in den Sand fallen. Sie beugte sich über die reglose Form. Lange blonde Haare lagen wie Seetang auf dem blassen Gesicht. Als sie die Haare vorsichtig beiseiteschob, zog sie scharf die Luft ein. Schürfwunden und Blutergüsse verfärbten scheinbar jeden Quadratzentimeter der Haut. Es war kaum möglich, einzelne Gesichtspartien zu unterscheiden. Die Augen waren geschlossen. Eindeutig war nur, dass es sich um eine Frau handelte.
Sie ergriff eine der verschmutzten Hände und ließ sie fast wieder fallen. Auch die Hand war zerschunden, ähnlich brutal wie das Gesicht, und das Handgelenk stand in einem unnatürlichen Winkel vom Unterarm ab.
Vorsichtig versuchte sie den Puls zu fühlen. Sie war nicht besonders gut darin und bei dieser Kälte mit halb erfrorenen Fingern schon gar nicht. Sie legte die Hand zurück und wühlte in ihrer Jacke nach ihrem Handy. Mit klammen Fingern wählte sie den Notruf.
Während sie auf das Eintreffen von Polizei und Krankenwagen wartete, versuchte sie noch einmal, diesmal am Hals, einen Puls zu ertasten. Der Brustkorb unter der nassen Kleidung schien sich leicht auf und ab zu bewegen. Oder bildete sie sich das ein? Sie lauschte nach einem Herzschlag.
Frustriert richtete sie sich wieder auf. Nichts zu machen. Der Sturm heulte laut und die Kleidungsstücke waren nass und schwer. Es half nichts, sie musste warten. Sie hauchte in ihre Hände und rieb sie aneinander.
Endlich näherten sich Fahrzeuge. Die Martinshörner schrillten in ihre rotgefrorenen Ohren. Weiße Scheinwerfer schälten einen schmalen Streifen des Ufers aus der Dunkelheit, während die rotierenden Blaulichter die Umgebung in unwirkliches Licht tauchten. Nach einem letzten halberstickten Heulen verstummten die Sirenen. Mehrere Sanitäter waren mit einer Trage, Decken und Erste-Hilfe-Koffern unterwegs zu ihr. Der Schein ihrer Taschenlampen hüpfte vor ihnen her.
Sie stand auf und klopfte mechanisch den Sand von ihrer Kleidung. Auf die Helfer folgten weitere Personen. Ein hochgewachsener dunkelhaariger Mann ging mit großen Schritten voraus. Sie kniff die Augen gegen die blendenden Taschenlampen zusammen und sah ihnen mit ausdruckslosem Gesicht entgegen. Den Mann an der Spitze der kleinen zivilen Prozession hatte sie heute Abend schon gesehen. Er war der Auslöser für die Wut gewesen, die sie hierhergetrieben hatte.
In dem Moment begann die Frau am Boden zu stöhnen. Die Frau zuckte zusammen. Sie ging in die Hocke und legte eine Handfläche sanft an das zerschundene Gesicht. Die Verletzte riss die Augen auf. Panisch warf sie den Kopf hin und her und stieß abgehackte Worte hervor. Die Frau beugte sich tiefer zu ihr herab.
»Hannah«, verstand sie, und als sie ihr Ohr noch etwas dichter an den Mund der Verletzten brachte, hörte sie etwas, das wie »Wolf» klang. »Hannah Wolf«.
Irgendetwas begann sich in ihrem Unterbewusstsein zu regen.
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